Einleitung. „Dreimal im Jahre sollen alle deine Männer vor dem Ewigen, deinem Gotte, an dem Orte erscheinen, den er erwählen wird: am Feste der ungesäuerten Brote, am Wochenfeste und am Feste der Hütten; man erscheine aber nicht leer vor dem Ewigen, sondern jeder mit dem, was seine Hand gemäss dem Segen, den der Ewige, dein Gott, dir gewährt hat, spenden kann“ (5 B. M. 16, 16—17). Hier ist für jeden Mann in Israel klar und deutlich die Pflicht ausgesprochen, Jahr für Jahr an den drei Freuden esten das Heiligtum mit einer Opfergabe aufzusuchen. Dieses Besuchsopfer (ראייה oder ראיון) ist ein Ganz- oder Brandopfer (עולה; 3. B. M. 1, 3—13). Das Blut wird auf den Altar gesprengt, das Fell erhalten die Priester, das Fleisch wird nebst dem Fette auf dem Altar verbrannt. An einer andern Stelle (2. B. M. 23, 14) heisst es wieder: Dreimal im Jahre sollst du mir eine Opferfeier (חג) veranstalten. Aus diesem Schriftworte, wird die Verpflichtung abgeleitet, an den oben genannten drei Festen ausser dem Besuchsauch noch ein Festopfer (הגיגה) darzubringen. Dieses gehört zur Klasse der Friedensopfer (שלמים; 3. B. M. 3, 1—7). Das Blut und das Fett wird dem Altar geweiht, das Fleisch aber vom Eigentümer, seinen Angehörigen und seinen Gästen in Reinheit verzehrt. Reicht das Festopfer nicht für sämtliche Mahlzeiten des Festes, so sind noch andere Friedensopfer darzubringen, bis der ganze Bedarf gedeckt ist. Sie werden als Freudenopfer (שלמי שמחה) bezeichnet. Denn die wahre Freude besteht in dem Empfinden der Gottesnähe, das mit Rücksicht auf den Charakter dieser drei Feste durch den Genuss des Opfermahls geweckt werden soll, wie es heisst: Schlachte Friedensopfer und geniesse sie dort, auf dass du vor dem Ewigen, deinem Gotte, dich freuest (5. B. M. 27, 7). Demnach sind die Freudenopfer keine Pflichtopfer im strengern Sinne wie etwa das Besuchs- und das Festopfer: sie sind aber auch keine freiwilligen Opfer, die ganz dem Belieben jedes einzelnen anheimgegeben wären. Vielmehr stehen sie zwischen beiden in der Mitte Einerseits können sie abweichend von den Pflichtopfern, aus Mitteln des zweiten Zehnt (5. B. M. 14, 24—25) erworben oder auch durch anderes Opferfleisch ersetzt werden, andererseits darf man sie im Gegensatz zu den freiwilligen Opfern auch am Feiertage darbringen. Alle drei Opfer, mindestens aber die beiden Pflichtopfer sollen, wenn irgend möglich, gleich am ersten Feiertage dargebracht werden. Fällt dieser auf einen Sabbat, ist die Opferhandlung am nächsten Werktage (Sonntag) zu vollziehen. Nach der Schule Schammais muss die Darbringung des Besuchsopfers auch sonst auf den zweiten Tag des Festes verschoben werden, weil nach ihrer Meinung kein Ganzopfer ausser den öffentlichen an einem Feiertage dargebracht werden darf. War man am ersten Tage verhindert, so kann man seiner Pflicht an den folgenden Tagen, selbst am letzten Tage des Festes genügen. Das gilt nicht allein vom siebenten Tage des Pesaḥ-, sondern ebenso vom achten Tage des Hüttenfestes (שמיני עצרה), obschon dieser ein besonderes Fest für sich ist (רגל בפני עצמו). Hat man das Wochenfest, das nur einen Tag dauert, vorübergehen lassen, ohne mit seinen Opfergaben im Heiligtum sich einzufinden, können die beiden Pflichtopfer noch im Laufe der folgenden sechs Tage dargebracht werden. Mit den in ihren Grundzügen hier umrissenen Bestimmungen befasst sich, von einigen Abschweifungen (I, 7—II, 1) abgesehen, der erste Teil unseres Traktats, der bis zur Mitte des zweiten Kapitels reicht. Der Rest behandelt einige Reinheitsgesetze, die insofern hierher gehören, als für den Besuch des Heiligtums wie für den Genuss von Opferfleisch die hierologische Reinheit (s. P’saḥim I, Anm. 26) eine unumgängliche Voraussetzung ist. Dieser zweite Teil enthält fast nur Verordnungen und Vorschriften rabbinischen Ursprungs, von denen aber die meisten sehr hohen Alters sind. An einer Stelle (II, 7) wird Josef ben Jo‘ezer genannt, der im Beginne der Makkabäerzeit lebte. Demselben Namen begegnen wir auch im ersten Teile und zwar bei einer Streitfrage, die als einzige aus jenen Tagen in der Mischna überliefert ist.